Was macht virale Videos viral?
„Erfolgreiche virale Kampagnen verstehen sowohl die Kultur des Konsumenten als auch die Kultur des Mediums.“
Die Dialog Solution aus Hamburg hat eine Studie vorab veröffentlicht, die sich mit den Mustern der Viralität beschäftigt. Aus den Urzeiten von Youtube, als da noch ca. 100.000 Videos gelagert wurden, hält sich hartnäckig das Gerücht, virale Videos müssten cool sein, witzig oder aggressiv. Aber was ist z.B. „cool“? Das dürfte jede Alters-, Kultur- oder eben soziale Gruppe anders sehen. Heute werden ca. 100 Millionen Videos täglich abgerufen. Um sich in dieser Masse durchzusetzen, helfen Klischées nicht weiter.
Diese wichtige Studie zeigt, daß es um Gefühle geht, die in relativ kurzer Zeit ausgelöst werden. Hier versteht man sofort, warum man die Kultur der Kundengruppen verstehen muss. Witziges ist eben nicht für jeden gleich witzig. Schlimmer noch: Witziges vermindert sogar das Weiterleiten eines Videos, während positive oder negative Betroffenheit, z.B. in Form von Mitgefühl oder Zorn, die Viralität stark erhöht.
Meine Theorie dazu ist einfach: Inhalte, die eine innere Spannung erzeugen (z.B. Humor), die man aber persönlich abbauen kann, werden weniger weitergeleitet, als Inhalte, bei denen man nur mit Freunden und Bekannten die aufgebaute Spannung abbauen kann. Der Spruch „schau mal, was hältst du davon“ zeigt das ganz gut. Hier wird eine Antwort erwartet, die hilft, das Gezeigte zu verstehen. Gefühle eben. Wir sind für eine Kampagne noch etwas tiefer in die Struktur eingestiegen. Anstatt wie sonst in der Branche üblich, drei verschiedene kreative Ansätze zu zeigen, haben wir drei Involvement- Stufen definiert und entsprechende Ansätze entwickelt. Die dazu passende Kreation haben wir nur angedacht, nicht fertig entwickelt. Der Hintergund dazu ist ebenfalls einfach. Es gibt viele verschiedene Formen von echten Viren. Was sie gemein haben, ist aber nicht die Form des Virus (der Inhalt), sondern die Art der schnellen, massenhaften Teilung auf den Trägerwirten (die Struktur).
Der Erfolg viraler Kampagnen hängt also zunächst nicht so sehr von Ihren Inhalten ab, sondern von der Struktur der Kampagne. In der Sprache klassischer Werbung: die Mediaplanung ist integraler Bestandteil der Kreation. Media- Strategie und Kommunikationsstrategie sind eins, sie können nicht nacheinander erfolgen, sondern müssen gemeinsam umgesetzt werden.
So wie in einem echten Virus Form und Inhalt der Viralität eins sind. Das Optimum erreicht man also, wenn man die Kreation direkt mit den Seedern finalisiert. Dann kann auch die Kreation auf das gewünschte Gefühl hin optimiert werden. Schließlich kennt niemand seine Kultur so genau, wie die „Trägerwirte“ der Kultur. Und noch ein anderer Effekt wird in dieser integrierten Strategie sichtbar. Das Erzeugen der Botschaft ist zugleich der Beginn der Kommunikation der Botschaft. In klassischen Kommunikationsansätzen ist das undenkbar.
Systemische Kommunikation ist aber im Kern so gedacht. Transparenz und Vertrauen, die wichtigsten Elemente moderner Strategien sind entsprechend „build in“. Das verhindert auch, daß es sich beim viralen Marketing um eine neue, höhere Stufe der Manipulation handelt. Manipulation wird hingegen – entsprechend der eigentlichen Bedeutung des Wortes – wieder zu einem echten „Bewegen“.
Vielleicht kurz dazu das Beispiel Barack Obama. Er hat es geschafft, daß abgelutschte Wort „Change“ zu einem bedeutungs- und gefühlvollen Mem zu machen. Das war die Grundlage für die virale Verbreitung in den realen und virtuellen Netzwerken. Obama’s „Change“ löst echte Gefühle aus, zudem für jeden Andere. Die Netzwerke sind nur Träger des Mem. Unsere Parteien versuchen aber scheinbar das Gegenteil. Sie denken, daß Netz ist der Virus. Aber das Netzt ist kalt.
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