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Die Digitale Gesellschaft – für ein neues Bürgertum.

“Do you want to spend the rest of your life selling sugared water or do you want a chance to change the world?”**

Das Boulevarblatt BZ titelte in Berlin sinngemäß: „Steve Jobs war der DaVinci für uns, die wir in der Digitalen Gesellschaft leben.“

Damit ist der Begriff gesetzt. Lange gab es keinen mehr. Informationsgesellschaft, Kommunikationsgesellschaft, Wissensgesellschaft – sie allen wurden wie Säue durchs Dorf getrieben und mussten für einen Haufen schlechter Produkte und noch schlechterer Theorien herhalten. Sie alle waren nur ein Teil des Ganzen.

Schwingen wir uns kurz 200 Jahre zurück: die Bürgerliche Gesellschaft entwickelte sich von Ende 17. – Anfang 19. Jahrhundert. Die Parallelen des Umbruchs sind beachtlich. Beginnen wir mit etwas Einfachem: Fuhrwerksunternehmer – die mit den Pferden – klagten gegen Spediteure – die mit den Autos. Begründung: es wird zuviel Staub aufgewirbelt und sie verunreinigen die Umwelt.
Abgesehen von den stinkenden Pferdeäpfeln überall (die Idee des biologischen Düngers für den öffentlichen Raum war noch nicht geboren), ein augenfällig sinnleeres Argument. Der Widerstand war kultureller Form. Die Idee auf Autos umzusteigen, als offensichtlich besseres Gefährt für den Transport, war nur sehr Wenigen gegeben. Das war vielleicht einer der letzten Kämpfe zwischen Adels- und bürgerlicher Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.*** Davor gab es tausende Andere.
Glaubt auch nur einer meiner Leser, daß sich der Adel aus Einsicht auf die Seite des Bürgertums gestellt hätte? Warum sollte es heute anders sein?

Das Bürgertum ist als gesellschaftliche Schicht aus einer Neuen Wirtschaft heraus entstanden. In den „Burgus“ sammelten sich Kaufleute und Handwerker. Die Machtgrundlagen heute sind Rohstoffe, Industrien und Medien. Die formierende Kraft des Bürgertums bleibt die Wirtschaft. Selbst die klassische IT-Industrie erinnert, nun, an Industrie. Der Unterschied zu den Netzfirmen ist kultureller Form. Das Wort Informationstechnologie täuscht über eine nicht bestehende Gemeinsamkeit.
Glaubt auch nur einer meiner Leser, daß sich das klassische Bürgertum aus Einsicht auf die Seite des Netzes stellen würde? Hatte MySpace überhaupt eine Chance, wenn die klassische Medienindustrie zugreift? Welche Scheingefechte führt eigentlich die Verlagsbranche? Machen Papier oder Tablet irgendeinen Unterschied zum Inhalt? Wie verlogen kann die Diskussion um Privatsphäre noch werden? Seit wann kann ein Staat oder auch nur eine Nation oder auch nur eine Schicht bestimmen, was für den Einzelnen Privatsphäre bedeutet?

Es kann keine Brücke zwischen Analog und Digital geben. Entweder man ist gestern oder man ist heute. Dazwischen liegt die Nacht und ein paar Grauzonen. Ob der Begriff Digitale Gesellschaft eigenständig oder eine neue, moderne Form der bürgerlichen Gesellschaft ist, sollen andere beantworten. Ihre Inhalte sind jedoch fundamentaler, als nur ein paar „neue Features“.

Die Digitale Gesellschaft ist ein soziologischer Gesellschaftsbegriff. Er steht für eine Gesellschaftsform, die durch das Menschsein geprägt ist und die Gesellschaft des ausgehenden 20. bis zum beginnenden 22. Jahrhundert kennzeichnet. Ihr wesentliches soziales Merkmal ist die Auflösung der Schichten, Nationen und Staaten. Sie beruht auf einer Soziologie des Individuums und seiner konkreten sozialen Bedürfnisse.
Mit dem Tod von Steven R. Jobs am 06.Oktober 2011, der als erster die Brücke zwischen materiellen Gütern, dem globalem Netz und dem Glauben des Individuums errichtete, kann sie als manifestiert gelten.
(in Anlehnung an die Definition des Bürgertum der Wikipedia)

* Das Artikelbild ist symbolisch interessant: Appel steht für ein erfolgreiches Unternehmen, Steven Jobs für einen Hippie, der die Welt ausgehend vom Individuum verändern wollte.
** Das Zitat stammt von Steve Jobs als Frage an John Sculley, ehem. CEO von Apple
*** Gemeint als Kampf der Symbole. Auch Fuhrwerker waren Unternehmer, aber priviligiert durch den Adel. Pferde standen schon immer für den Adel, typisch die Reiterstandbilder. Autos waren von Beginn an Bilder für den Bürger.

-> Genau ins gleiche Horn stösst heute das Slow Media Weblog.