Warum social, mobile, local nicht der Trend sind.
Fast alle Beiträge mit Ausblick auf 2013 sprechen von den großen Drei: Social, Local, Mobile = Solomo. Dazu kommt der Fokus auf Mobile, das 2013 zum Jahresthema ernannt wird. Dennoch. Keines der drei Themen kann den Trend wirklich beschreiben. Es sind nur Technologien. Kein Wunder.
Hat die Welt doch lange gebraucht, um zu verstehen, daß man sich dank Internet mit Technologien beschäftigen muss. Egal, ob im Marketing, im Personalbereich, im Vertrieb. Überall spielt plötzlich das Internet mit rein. Die armen Internetverantwortlichen. Müssen sie doch jedem Bereich erklären, daß die anderen Abteilungen auch eingebunden werden müssen.
So ist es verständlich, daß es die Technologien sind, welche die Diskussionen in der Öffentlichkeit treiben. Aus dem Social Web wurden die Social Media, Technologien. Bei Mobile geht es v.a. um Endgeräte wie Smartphones und Tablets, „welche den PC ersetzen“, Technologien. Bei Local geht es um „Location Based Services“, Technologien.
„Zu spät das Richtige tun.“ so könnte man es formulieren. Ein schönes Beispiel liefern die Begriffe der Content Strategie und des Content Marketing. Was bitte haben die Unternehmen die letzten Jahre getan? War nicht fast alles, was im Web gemacht wurde, eine Content Strategie? Selbst die beliebten Google Anzeigen sind Werbung mit Content Strategie. Von den Webseiten ganz zu schweigen. Das Content auch Solomo eine Rolle spielen, ist eine Selbstverständlichkeit.
So mag es nicht verwundern, daß einfachstes Basiswissen von Journalisten und Redakteuren jetzt von „Experten“ wieder aufgewärmt wird, um es Marken als „Strategie“ zu verkaufen. Wenn es um Content geht, wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Owned, Earned und Payed? Wenn nicht genau da, wo die Begriffe es sagen: Eigentum, Gekauft, Gemacht. Es bleibt Content. Was ist eigentlich eine redaktionelle Anzeige? POC – Payed owned Content? Wo soll das hinführen?
Doch nur zu Silos, die hinterher wieder schwer zusammenzuführen sind. Muss das sein? Sicher nicht. Am besten nähert man sich dem Trend, wenn man einmal schaut, was die drei Begriffe eigentlich bedeuten. Das ist schon bei „Mobil“ schwer. Just heute bringt Mobile Zeitgeist einen sehr guten Artikel, der in die gleiche Kerbe schlägt. Ausgerechnet Mobile Zeitgeist titelt: „Mobile schafft sich ab„. Darin findet sich der fantastische Satz: Warum ist der Laptop nicht mobil, wo wir doch das Tablet eher auf dem Sofa nutzen? Das Witzige ist, daß „mobile“ nichts mit dem Ort zu tun hat, sondern mit der Zeit:
Mobile – jederzeit
Social – miteinander
Local – an jedem Ort
Unter der Idee des Jederzeit-Computing passen die verschiedenen Fragen und Probleme bei der Erstellung mobiler Strategien gut zusammen. Der Ort spielt keine Rolle, er ist Augmented, angereichert. Der Ort ist nicht lokalisiert, sondern Kontext der Nutzung: 3 Minuten in der Supermarktschlange, entspannte 1 Stunde im Cafe, mit schwankendem Netz arbeitend in der Bahn. Mobile bedeutet Computing, wann immer ich es brauche und will – ganz egal wo.
Social erlaubt Gemeinsam-Computing. Das betrifft v.a. die Kommunikation untereinander, aber eben nicht nur. Auch das Abrufen sozialer Informationen ist social. Oder das Verarbeiten von Daten, so daß ein gemeinsamer Nutzen entsteht. Es sind eben nicht nur Kommunikationsmedien, die darunter gefasst werden. Wenngleich sie den Löwenanteil ausmachen. Wenn Gemeinsam-Computing und Jederzeit-Computing zusammenkommen, sind wir bei der nun nicht mehr erstaunlichen Zahl an mobilen Nutzungen von Facebook.
Local ist da am stärksten, wo es nicht darunter verstanden wird: M2M Kommunikation. Der Austausch von Daten zwischen Maschinen. Das „Internet der Dinge“ ist in Wirklichkeit ein „Internet der Orte“. Diese können stationär, wie bei Automaten, oder mobil sein, wie bei Gabelstaplern. Das ist dem Ort herzlich egal. Es bleibt ein Ort. Der Stapler ist immer der Stapler, egal wo er gerade steht oder fährt. Aber erst alle drei zusammen machen wirklich Sinn. Wir können die Themen zusammenfassen:
Computing, jederzeit, miteinander, an jedem Ort.
It’s the computer, stupid. Das Internet ist der Computer. Alles andere ist nur angeschlossen. In der ersten Welle hat sich die Infrastruktur, das Netz, entwickelt. In der zweiten Welle wird alles mit allem verbunden. Der erste Trend war im Context der Anwendung: Content. Die zweite Welle ist im Context der Anwendung: Connect. (Und die dritte Welle wird dann der Context selber – aber das ist in seiner vollen Bedeutung noch ein Weilchen hin. Es wird einmal, wenn virtuell real und real virtuell ist.)
Wenn ich Connect als Trend erkenne, dann weiß ich, daß Solomo keine getrennten Entwicklungen sind. Es ist eins. Die nächste Stufe der Entwicklung DES Computers. Die nächste Stufe des Internet.
Das wird besonders deutlich, wenn wir die Begriffe selbst betrachten. Wenn ich jederzeit sage, dann ist überall faktisch mit drin. Raum und Zeit sind seit Einstein zwei Seiten der gleichen Medaille. Wenn ich mein Handy zücke, dann funktioniert jederzeit nur, wenn es auch überall geht. Die Beschwerden über schlechtes Netz sind deswegen Legion. Wenn ich ein Objekt „connecte“, dann muss es auch jederzeit ansprechbar sein. Nicht anders ist es mit dem gemeinsam. Wenn Objekte (überall; Orte) jederzeit ansprechbar sind – dann habe ich ein sehr einsames Objekt. Erst die Verbindung mit anderen lässt es wirken. Wenn ich einmal mit NFC bezahlt habe, will ich das überall, immer. Dann soll bitte jedes Geschäft connected sein.
In der Praxis sehen wir nun die Brüche zwischen den Begriffen. Computing, das nur manchmal geht, oder nicht überall, oder schlecht vernetzt ist. Genau das passiert gerade: diese Brüche werden geschlossen. Mit der gleichen enormen Dynamik, mit der das Internet sich über den Globus ausgebreitet hat.
Es ist der typische revolutionäre Sprung, den ich hier erkenne. Das gesamte Internet ist von einer evolutionären Entwicklung in die nächste Etappe gesprungen. Es ist verdammt wichtig, das zu erkennen. Denn die öffentlichen Diskussionen müssen Stückwerk bleiben. Das liegt schlicht daran, daß sehr unterschiedliche Partikularsichtweisen auf ein so großes Thema schauen – und es dabei einfach nicht überblicken können. Ganz vorne die Medien, die immer nur Ihren Bereich sehen und somit die Entwicklung nur da abbilden, wo es sie betrifft: Medien. Die oberste Spitze des Eisberges.
FAB ist doch keine verdammte „Mobile Company“, wie es grad überall heisst! Es ist und bleibt ein Händler, der eine realistische Gesamtstrategie fährt. FAB ist ein Händler von heute und nutzt das Thema mobile höchstens perfekt für die PR. Der Gründer sagt es selbst: sie wollen vorne sein. Und vorne ist, gemütlich auf dem Sofa durch die Produkte schmöckern (<- wie beim lesen ;-). Das geht auf dem Tablet einfach besser, als mit dem Laptop auf dem Lap (engl: Schoß). Auch die – beliebt diskutierte – Medien- und Verlagslandschaft muss nicht extra ins Valley reisen, um diesen einen Punkt zu lernen: macht Connect-Strategien und ihr wisst, wo Eure Zukunft liegt.
Das Internet lässt sich immer noch am besten als digitale Schicht der Welt begreifen. Connect ist die 2. Stufe dieser Digitalisierung. Das echte Web 2.0. Vernetzte Objekte, die jederzeit „on“ sind. So wie das Smartphone selber – und sein Besitzer.
Diese kleinen Beispiele zeigen, warum es geht. Nicht mehr um Technologie. Die muss man einfach beherrschen. Wer das nicht kann, sollte jetzt mal hinne machen. Die Zeit läuft ab. Content, von Daten über Information bis zum Spielfilm, ist Commodity, ein Standardgut, Handelsware, dessen Management Standard ist. Der Fokus auf Content ist falsch. Wenn schon Content, dann bitte den Blick auf die Effizienz der Prozesse richten.
Jetzt geht es wieder um die Sache an sich. Das Geschäftsmodell. Die Marke. Der Fokus ist das Leben selbst, die Märkte, die Menschen sind. Dahin muss der Blick gehen.
Wir hatten um 2000 rum ein Modell für die Strategie bei Ketchum. Eines von vier strategischen Zielen der Agentur war die umfassendste Digitalisierung der gesamten Kommunikationsbranche. Das Modell zeigt die vier Entwicklungsstufen, in denen Unternehmen das Internet in Ihr Geschäftsmodell integriert haben.
Dieses Modell lässt sich auf die Entwicklung des Internet selbst übertragen. In Stufe eins war es wichtig und ausreichend, über das Internet Informationen zur Verfügung zu stellen. Presence – im Internet sein. Egal ob für den PC, oder für mobile Endgeräte, auf Webseiten oder in sozialen Medien. Diese Stufe ist durch. Das sollte man drauf haben. Wir sind immer mehr im Internet.
Heute ist das Internet aber bereits mehr Ubiquitous, als Leute den Begriff kennen. Für sehr, sehr viele Menschen ist es überall und immer mehr unsichtbar. Wenn es ausfällt, ist das Licht aus. Menschen sind auch nicht mehr „im Internet“, sie sind bei Facebook, beim Chatten, kurz mal was shoppen oder einfach „whatsappen“.
Jetzt geht es um die Integration des Internet – und nicht irgendwelcher Medien – in die Geschäftsprozesse. Alles wird mit allem verbunden. Unaufhaltsam. Unumkehrbar. Oder um es mit einem Satz zu sagen:
Connect your brand – Verbinde deine Marke mit den Märkten,
wie nur deine Marke es kann.
Bildquellen:
Artikelbild: Bennys Minecraft-Welt auf Ninjalooter
SoLoMo – The Perfect Storm in Mobile Market Research
eBusiness Leverage – Strategiemodell Ketchum