Strategien mit Content für die Webpräsenz von Marken
Die vier Praxisbeispiele, die unter dem Stichwort „Digital Marketing & Media Summit“ abrufbar sind, geben einen Überblick zum komplexen Thema Content Strategien. Der Summit 2012 hatte noch wesentlich mehr zu bieten, aber da ich diese vier Beispiele moderiert habe, konnte ich hier tieferen Einblick nehmen und neben den Sessions selber, einige Punkte mit den Verantwortlichen direkt besprechen. Die Erfahrungen möchte ich kurz zusammenfassen, denn sie entsprechen einem „State-of.the-Art“ zum Thema Content Strategie.
Motivation: Das Thema ist heiss – alleine schon, weil so viele verschiedene Medien und Plattformen integriert zu führen sind. Wo wird welcher Beitrag zu Marke geliefert? Wie lässt sich eine Geschichte über mehrere Medien führen? Wo sind Ansätze zu Steigerung der Effizienz von Prozessen, die eigentlich Medienunternehmen vorbehalten sind? So nur einige der mit dem Thema verbundenen Fragen.
Dabei war interessant zu sehen, wie sich die Ziele einer Content Strategie von den Web 1.0 Themen: Traffic, SEO, Content Management sehr weit zu den Web 2.0 Themen: Touchpoints, Interaktion, Kundenbindung verlagert haben.
Dahinter steht sicher auch die Erkenntnis, daß gute Social Media Strategien letztlich die Ziele des Web 1.0 mit erfüllen. Wer spannende (Marken-)Geschichten mit hoher Kundenbindung sinnvoll in verschiedenen Kanälen erzählen kann, hat auch Traffic, damit gutes SEO und den Content in erfüllter Weise „gemanaged“.
Dennoch markieren die vier Beispiele auch vier sehr unterschiedliche Eckpunkte. Es lohnt also, einen zweiten Blick zu wagen. Arbeiten wir uns rückwärts durch die Beispiele und extrahieren die Schwerpunkte der jeweiligen (strategischen) Ansätze:
IKEA Österreich: Integration von Facebook in den klassischen Kommunikationsmix
Yellow Strom: Social Web Umsetzung in der Kultur des Social Web und den passenden Eigenschaften (besser: Charakterzügen) der Marke, Geschichten im Mittelpunkt
TUI Deutschland: Strategien für Mobile, die am Produktmanagement ansetzen und die Customer Journey – fast schon im Wortsinne – abarbeiten
Jabra: ganzheitlicher Ansatz rund um die Webseite, Social sind Gruppen von Menschen, „Online First“ Strategie
Daraus lässt sich eine Vorgehensweise entwickeln, die alle Beispiele verarbeitet und so für andere Marken passend gemacht werden kann:
- Marketing: Wo liegt der Schwerpunkt der Marke, der USP? Im Produkt? In der Kommunikation? Im Vertrieb? (TUI=Produkte -> mobiler Service, Yellow=Marken-Kommunikation -> Spaß im Social Web, Jabra=(Web-)Marken-Kommunikation -> Information&Service)
- Markenkommunikation: Wie passen die Medien zum USP des Unternehmens? Welches Medium sollte den Lead haben? Wie zahlen andere Medien ein? (IKEA=Werbung & Katalog, TUI=“Journey“ in allen Facetten, Jabra=markenaffiner Traffic)
- Kunden: Wie lassen sich die Kundengruppen aus einer sozialen Sicht heraus beschreiben? Wie sieht die Customer Journey für jede Gruppe aus? Was erwarten Sie? (TUI=Sicherheitsgefühl, Jabra=Einfach, Yellow=Spaß)
- Inhalte: Welcher Content passt am besten zum USP, zur Marke und zu den Medien? Wo können Geschichten erzählt werden, wo Informationen und wo Services bereit gestellt werden? (Yellow=Spaß=Geschichten & Comicstil=SocialWeb, IKEA=Bindung=Katalog-Produkt-Werbung=Facebook, Jabra=Soziale Kundengruppen=Multichannel-Service-Ansätze=Web+, TUI=Sicherheit (bei der Reiseentscheidung)=Begleitung der Journey=Medienmix+Angebot)
- Dynamik: Und nicht zuletzt: Welcher Content ist permanent (evolutionäre Positionierung, Tiefe), welcher für Kampagnen (revolutionäre Positionierung, Aufmerksamkeit)?
Entlang dieser Punkte kann man sich wunderbar hin zu einer eigenen Contentstrategie abarbeiten, die nicht nur ein Medium berücksichtigt und zudem zur Marke passt. Nun ja – und den Namen Strategie verdient, also langfristig die Effizienz sichert. Genau in dieser Reihenfolge. (multi.media ;-)
Und so könnte das für verschiedene potentielle und existierende Kundengruppen einer Marke aussehen:
Die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden lassen sich als Cluster aus Content- und Medienmix abbilden, mit unterschiedlichen Zielen bei der Kundenbindung und der Begleitung während der Customer Journey.
Bestehende Kundengruppen (D+E) benötigen entweder D. laufende Informationen zum Produkt oder zu Neuigkeiten – oder wollen von „Ihrer“ Marke E. einfach gut unterhalten werden. Hier lassen sich bei D. z.B. die Webseite und E-Mailmarketing zusammen mit Imagebroschüren einsetzen und bei E. natürlich Stories in Werbung und Social Media.
Potentielle Kundengruppen (C+B) sind vielleicht schon dicht am Kauf, brauchen aber noch den Austausch mit Anderen – bestehende Kunden, Experten, Interessierte, der Marke – für eine Kaufentscheidung. Selbst hier zeigen die Medien für D+E Wirkung, bestätigen sie doch den Umgang der Marke mit den Kunden bereits vor der Kaufentscheidung – v.a. können aber – je nach Kundentyp – Informationsmedien wie Schulungsvideos, eine sauber strukturierte Webseite und individuell zusammenstellbare Kataloge, zusammen mit Fachforen und permanente Trigger zu Produktvorteilen Überzeugungsarbeit leisten, oder im unterhaltsamen Bereich (Gruppe C) einfach Lust machen.
Gruppe A wäre ein Beispiel für eine Kundengruppe, die – im Inspirationsmodus – aus Spaß an der Sache für eine Marke gewonnen werden kann. Diese würde bei Erfolg zur Kundengruppe C werden.
Interessant wird es aber, wenn wir das gesamte Bild betrachten: hier haben wir eine Marke, die über die Customer Journey vor allem informativ mit starken Anteilen von Austausch arbeiten muss. Deckt die Content Strategie diese Bereiche ab, werden alle Kundengruppen „abgeholt“. Die Kundengruppen entwickeln sich sozusagen strategisch sauber entlang der Customer Journey über alle Medien und Inhalte.
Zwischen Customer Journey und Contenttypen besteht dabei ein Zusammenhang, weshalb das Modell schlüssig ist. Bestimmte Medien erlauben eher Kommunikation, als andere. Oder Information. Oder gemeinsamen Austausch.
Insofern sieht man hier auch gut, daß sowohl der Kauf, als auch AfterSales als soziale Prozesse verstanden und abgebildet werden können. (Wo sonst nur Inspiration, Information und manchmal Kommunikation Teil der typischen Social Media Strategien sind.)
Spaß und Unterhaltung können eingestreut werden, sollten aber nicht für Kampagnen genutzt werden, da sie nicht im Schwerpunkt der Marke branden würden.
Die Betonung der Markencommunity auf Basis gründlicher und professioneller Informationen und Services wäre hier sozusagen der strategische Schwerpunkt des – zufällig gebauten – Beispiels. Passt – innerhalb des Bildes – gut zu Jabra und TUI.
Wie gesagt, das alles ist nur beispielhaft, denn jede Marke und jede Kundengruppe ist anders, aber es zeigt, wie eine Contentstrategie unter Berücksichtigung etlicher Best-Of-Praxiserfahrungen gestaltet oder überprüft werden kann. Und nun viel Spaß beim Grübeln!