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Strategie

Quo Vadis Facebook? Die Version 2.

Big, Bigger, Zuckerberg

Die Aufregung war Mark Zuckerberg anzumerken. Er wollte der Welt zeigen, daß er ihr etwas Großes zu geben hat. Und Groß waren die Ankündigungen der gestrigen Entwicklerkonferenz. Aber waren sie auch gut?

Unbestritten beeindruckend ist der Umfang und die Ausgestaltung der Kooperationen. Etliche der Big Player im Social Web nutzen in Zukunft den OpenGraph von Facebook. Zuckerberg spielt seine wichtigste Karte gekonnt aus. Der Spotify-Chef bringt es auf den Punkt: die Kommunikation von Menschen ist der bessere Algorithmus. Und Facebook besitzt diese „soziale Software“. Logisch also, das sie sich alle dem Facebookdiktat unterordnen. Dieses Rennen ist gelaufen. Facebook ist DIE soziale Plattform der Welt, der monopolistische Lieferant der menschlichen Verbindungen. Noch.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Aber was machen sie damit? Da Twitter offensichtlich zu dämlich war, sich den Begriff „Timeline“ zu schützen, hat ihn jetzt Facebook. Die „Zeitleiste“ soll das neue Profil werden. Das Profil des Nutzers ist das Herzstück jeder sozialen Anwendung. Bisher war es statisch mit einigen Angaben zur Person. Jetzt soll es das digitale Ereignisbuch werden – das Profil selbst ist das „Face-Book“.
Das Profil – das ist das, was jeden Augenblick mit mir passiert. Ich kommuniziere digital – also bin ich. Alles was ich mache, nicht nur was mir gefällt, wird aggregiert durch die Algorithmen von Facebook. Auf einer Seite voller Widgets – die Facebook Apps nennt, aber eben keine sind.

Genau hier liegt der Knackpunkt. So eine Website kennen wir. Damals, als Yahoo das „My“ vor den Namen setzte. Die unendliche Vielfalt des Webs organisiert in persönlichen Widgets auf einer Seite. Es war der Anfang vom Ende von Yahoo.

Das was Facebook sein will, kennen wir aber auch. Es sind die Bildschirme der Smartphones. Persönliche Apps, die Wichtigsten auf dem ersten Screen, immer bereit geöffnet zu werden oder sowieso schon immer offen.

Die 100 Milliarden Euro Frage ist nun, was macht mehr Sinn? Mein Handy als persönlicher Computer oder eine Internetseite mit lauter Widgets? Meine Meinung klinkt wie eine Kirchenglocke am Sonntag mitten durch die Zeilen – die Geschichte hat die Frage bereits beantwortet!

Evolution auf Speed – in die falsche Richtung.

Das ich meine persönliche Geschichte bald auf Facebook abbilden kann, was spannend scheint, klingt nur noch wie eine Zweitverwertung der Daten. Doch dazu wird es nicht kommen.

Abgesehen davon, daß das alles ein bischen zu viel ist, ist es auch viel zu früh. Zum „zuviel“ nur eines: wer führt ein Tagebuch? Wer würde ein Minutenbuch führen? Wen interessiert das? Die typische Nutzung von Facebook beruht auf schwachen sozialen Signalen. Ein „like“ ist der passende Ausdruck dafür. Nichts konkretes, aber auch nicht Nichts. Selbst wenn die ganz schweren Nutzer (heavy user) das Interesse hätten, sprichwörtlich jeden „Pups“ sozial werden zu lassen, liesse sich die Masse von Daten niemals sinnvoll abbilden. Siehe oben – das kann kein Algorithmus. Und ich befürchte, daß kein „Freund“ der Welt, der auf Facebook allenfalls ein Bekannter ist, auch nur das geringste Interesse hat, jeden „Pups“ zu bewerten, um eine menschliche Grundlage für das Funktionieren der Plattform zu schaffen.

Twitter hat das in der Vergangenheit gut gezeigt. Wenn die Inhalte zu persönlich und zu exakt werden, ist das sozialer Spam. Nur selten interessiert mich, welchen Song jemand gerade hört. Aber wie sollte eine Software wissen, wann das doch der Fall ist? Mit dem Essen ist es übrigends genauso. Auch wenn die 2.größte Anzahl geposteter Bilder weltweit das Thema Essen hat, heisst das noch lange nicht, daß ich permanent von meinen Bekannten Essensbilder auf Facebook bewerten möchte.

Apropo Twitter. Apple integriert Twitter in das iOS. Das ist meines Erachtens der Platz, wo sowas hingehört. In die echten Apps. Mit einem Klick vom Smartphone aus. Hier macht das Sinn. Aber dieser Weg ist Facebook durch die Kooperation mit Microsoft verschlossen. Deshalb müssen sie auf die Weboberfläche setzen. Tja. Strategie kann auch nach hinten losgehen.

Facebook hat Mobile schon immer  stiefjungenhaft vernachlässigt. Auf der Entwicklerkonferenz haben wir gestern gesehen, wo das hinführt. Denn genau auf der anderen Seite – das Web im Browser – ist Google schon meilenweit vorausgeheilt. Wenn Apps im Browser, dann doch bei Google.

Wahnvorstellungen

Facebook sitzt also in der ungeliebten Mitte und das in der größten Not (… ist der Mittelweg … hier bitte weiterreimen). Dabei kann man die Ursache schon riechen. Zu jung, zu groß, zuviel Testosteron. Gleich die erste Ankündigung der Konferenz war die Anzahl einer halben Milliarde Nutzer pro Tag. Dazu kommen enorme Wachstumsraten bei den Umsätzen. Und ja – der Trend geht auch zur Digitalisierung des Selbst. Aber alles zusammen heisst eben noch lange nicht, daß es Facebook ist, die auf die Art alle persönlichen Daten des Webs bei sich versammeln können. Und das Web – das ist schon lange nicht mehr der Browser.

Genau diesem Größenwahnsinn ist damals auch Yahoo erlegen. Da waren es noch die Inhalte, die vor allem über Yahoo liefen. Sie hielten sich selbst für das Web. Aber das Web ist größer, viel größer als eine Plattform es jemals sein kann. Das wusste auch Google lange Zeit. Dabei halten viele Menschen im Unterschied zu Facebook die (ehemalige) Suchmaschine sogar für das Internet.
Facebook hätte gut daran getan, zu bleiben, was es ist. Die Allmachtsfantasien treiben dieses geniale Stück Software ins Aus. Funktionierende automatische Listen von Sozialen Kreisen – das wäre eine Killerfunktion gewesen. Klein, aber weltbewegend. Da Facebook daran kein Interesse hat, hoffe ich jetzt mal, daß Twitter endlich begreift, was es wirklich ist. Das TCP/IP/SP (SocialProtokoll) des Internet. Die große Stunde von Twitter könnte jetzt schlagen. (Wobei auch da meine Hoffnungen eher schwach ausgeprägt sind. Das Problem von Twitter st genau andersherum – sie sind Kleinwahnsinnig.)

Einen habe ich noch:

Wir haben immer gesagt „Namen sind Scripte“ – wenn ich einer Sache eine Namen gebe, ein Symbol, dann kenne ich seine ganze Geschichte. (Original von Andreas Naurath in einem Meeting vor sehr, sehr langer Zeit.)
Gestern stach mir das Logo der Facebook Entwicklerkonferenz F8 ins Auge. Ein Spinne, lauernd in Ihrem Netz, aber einsam, ohne die Verbindungslinien.

 

Dazu passend zwei News von gestern:

Facebook kooperiert mit Yahoo
Yahoo wird eher zerschlagen, als im Stück verkauft

3 Gedanken zu „Quo Vadis Facebook? Die Version 2.

  • Sehe ich auch so. Aber vielleicht noch mal warten, wie sich das ganze Design und die Aufteilung ändert, vielleicht sieht es nachher wieder ganz sinnig aus. Aber zurzeit reißt es einem so richtig schön die Timeline auseinander.

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