Marken Welten

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Strategie

Markennähe II – Jeder Markenfan zählt, anders

Nehmen wir uns also die Frage aus Markennähe – Teil I nochmal vor:

„Nun fällt es leicht, sich vor­zu­stel­len, daß ver­schie­dene Typen von Mar­ken­fans zur glei­chen Zeit auch ver­schie­dene Über­ein­stim­mungs­grade mit den Mar­ken­wer­ten haben. Sind die einen des­halb schlech­ter, bes­ser, wich­ti­ger als die Ande­ren? Ja und Nein.“

Ja – die einen Markenfans sind besser als die Anderen

Die Antwort ergibt sich aus der Klassik, denn die einzelnen Typen der Markenpersönlichkeit lassen sich dem Involvement der Produktkategorie zuordnen. Grundsätzlich gilt:

  • Produkt hat High Involvement: Marke = Teil der eigenen Persönlichkeit (Beispiel: Porsche – Macher)
  • Produkt hat Mittleres Involvement: Marke = Teil der Beziehung (Beispiel: Apple – Vertrauen)
  • Produkt hat Low Involvement: Marke = Funktionaler Vorteil (Beispiel: Marlboro – Stärke)

In diesem Sinne gilt, daß die Markenfans besser sind, die zur Produktkategorie passen. Für Porsche also die Unternehmer, Topberater, Topkünstler und wer noch alles Macher ist. Für Marlboro aber jeder Mensch, der sich ein bischen stärker fühlen möchte.

Da die Beispiele allesamt als starke Marken gelten, sehen wir, daß selbst das Ziel Reichweite abhängig vom Produkt Involvement ist. Je geringer das Involvement, desto höher die Reichweite der Produkte und umgekehrt. Das gilt für die Markenverwendung im gleichen Maße, wie für den Vertrieb und die Markenkommunikation. Marlboro braucht Reichweite, bei Porsche wäre das schwieriger.

Dreht sich dieses Verhältnis um, dann ergeben sich schnell Problemfelder für die Marke. Nehmen wir Porsche als Beispiel. Nicht nur Macher fühlen sich der Marke verbunden, sondern auch Menschen, die sich den Funktionalen Vorteil der Marke aneignen wollen. Es ist ja nicht so, daß man erfolgreich wird, wenn man sich einen Porsche kauft. Wenn sich aber Machertypen, die erfolgreich werden, einen zulegen, dann bleibt dieser Markenwert bei der Masse der Menschen hängen (Erfolg als Funktionaler Vorteil). Und jetzt kauft sich ein Zuhälter einen Porsche, um seinen Erfolg zu zeigen und lässt ihn schön Pink spritzen. Und dann postet er Stolz wie Oskar seinen Wagen zusammen mit anderem nackten Begleitpersonal auf der Facebookseite von Porsche. Ihr wisst, was ich meine.

(Fast) das gleiche passiert gerade mit Apple. Das Vertrauen beruht auf der Zuverlässigkeit der Produkte, die wiederum einem gnadenlosen Perfektionismus geschuldet sind. Dieser Perfektionismus und die Werte der Kernkunden, Grafik-Designer, führt zu einem schönen Design. Bei der Masse bleibt nur das Design hängen, wie unsere ahnungslosen Journalisten überall publizieren. Die Folge: der enorme Erfolg des iPhone führt zu jeder Menge Produktproblemen (Glas), die wiederum den Kern der Marke (Vertrauen) schädigen. Schlimmer noch: das Vertrauen zu Apple selbst wurde plötzlich markenschädigend disskutiert, was vorher nie passiert wäre.
Richtig spannend wird es aber, wenn Marlboro Fans plötzlich hohes Involvement zeigen…

Nein – alle Markenfans sind wichtig

Die Antwort ergibt sich aus modernen Kommunikationsmodellen. Schauen wir uns das Thema Involvement nochmal genau an, sehen wir, daß Reichweite einen direkten Bezug zum Markenengagement hat. Diese Reichweite finden wir aber auch in den sozialen Medien wieder. Es gibt Medien, die so viele Leute gleichzeitig nutzen, daß eine tiefere Auseinandersetzung mit der Marke gar nicht möglich ist, wie es ein Werbespot oder eine Anzeige zeigen, oder  auch die Fanseite von Coca Cola mit 45Mill „Fans“ (Das ändert sich gerade mit der neuen Chronik auf Facebook, dazu mehr in einem anderen Artikel.). Es gibt aber auch Medien, da versammelt sich eine relativ kleine Anzahl von Fans, deren Tiefe der Auseinandersetzung mit der Marke die der Marketingabteilung selbst übersteigt.

Das Thema Involvement hat aber noch eine zweite Komponente. Wenn zum Einen die Produktgattung das Involvement bestimmt, dann müssen wir auch auf die andere Seite schauen. Denn das Involvement wird ebenso vom Charakter des Nutzers bestimmt. Und so kann es eben vorkommen, daß es Menschen gibt, die sich mehr für Shampoo interessieren, als für ein Auto. (Als Beispiel suche man nach dem Shampoo Syos.) Das ist in der klassischen Denke völlig unmöglich, im Internet aber schön zu bestaunen (und ja, es sind fast nur Frauen). Was auch heisst, das bisher niemand in der Marktforschung danach gefragt hat und es deshalb auch nicht existierte.

Um nicht abzuschweifen, die vielen sozialen Medien sind also auch Abbilder der Nähe zu einer Marke und somit des Involvements zur Marke, denn Nähe sucht nur, wer sich engagieren möchte. (Wobei nicht jedes Engagement für die Marke ist, woraus sich aber ein anderer bedeutender Effekt ergibt. Dazu mehr weiter unten.) Wenn das für die sozialen Medien gilt, dann gilt es aber auch für alle Medien, die einen Kontakt zur Marke beinhalten.

Insofern lässt sich das Thema Markennähe zunächst wie in der beschriebenen Studie kennzeichen: es gibt unterschiedliche Interessen an eine Marke. Entsprechend differenziert muss die Markensteuerung konzipiert und umgesetzt werden, um gleichzeitig verschiedene Markenziele zu erreichen. Denn das ist der Fakt, der hier festzuhalten gilt: der Hammer der Massenmedien taugt für bestimmte Ziele, aber die Realität ist nicht mehr so eindimensional gestrickt. Nicht einmal der Teil der Realität, der bisher für das Marketing genügte.

Ich stimme nicht vollständig mit den Ergebnissen der Studie überein, aber sie stellt richtige Fragen und zeigt ein anderes Abbild der Märkte, als klassische Ansätze. Vor allem ist die Studie aber eine Bestätigung der Bedeutung des Begriffes Markennähe.

So sind die Enthusiasten dichter an der Marke, als die Späher – beide haben aber Ihren Nutzen bei der Markensteuerung – und beide sind sie Empfänger der Markenbotschaften. Allerdings verlangen sie jeweils andere Botschaften. Der Eine will einen schönen Tisch bauen, der Andere nur einen Nagel einschlagen: aber beide bekommen meistens nur den Hammer.

Worauf ich mithin hinweisen möchte – und wer es bis hierher geschafft hat, verdient diese Erkenntnis – das Ergebnis der Studie stellt das gesamte klassische Modell der Markenführung in Frage, begründet auf Fakten aus der Realität. Und wenn diese Realität bisher keine Rolle spielte, dann nur, weil nie jemand danach gefragt hat.

Das sind keine Theoriespiele. Das ist knallharte Wirklichkeit. Ein vormals abwegiges Beispiel soll das zeigen. Weiter oben sagte ich, daß nicht jedes Engagement für die Marke ist. Sehr gut konnte man das sehen, als Tierschützer die Fanseiten großer Marken gekapert haben. Es sind die Werte und die Reichweite und das Low Involvement selbst, die dazu führten, daß das Engagement für eine Sache, zum Engagement in den Medien der Marken führte. Eine enorme dichte zur Persönlichkeit der Nutzer (= hohe Werte = hohes Engagement), verband sich mit dem Funktionalen Vorteil der Marke (= hohe Reichweite) – und das obwohl viele der Engagierten vielleicht nicht einmal Nutzer der Marke waren (gleichwohl viele das in den Posts als Grund angeführt haben).

Hier zeigt sich letztlich die universale und tiefe Bedeutung der Veränderungen. Das geht über klassische Markenführung weit hinaus. Plötzlich muss sich eine Marke seiner gesellschaftlichen Bedeutung stellen. Nur deshalb, weil man sie kennt (Denn welche andere gesellschaftliche Bedeutung sollte sich aus einer dunklen Limonade ergeben?). Wenn das nicht sozial Media ist.

Quelle Titelbild