Marken Welten

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Strategie

Markennähe I – Steuerung von Marken im digitalen Zeitalter

Ein Begriff, der dringend in die Kommunikationspraxis gehört. Warum? Weil viele Diskussionen sehr wenig differenziert geführt werden. Und: weil viele Diskussionen nur ein einziges Kommunikationsmodell nutzen, welches aber immer öfter nicht passt.

Die Geschichte der Markenführung hat sich immer an den Massenmedien orientiert. „Große Marken“ ist gleichbedeutend mit großer Reichweite. Auch wenn selbst kleinste Details der Marke geführt werden – so doch nur, um ein einziges Image bei einer großen Masse von Menschen zu führen. Das hat Theorie & Praxis & Meinungen nachhaltig geprägt.

Der derzeitige Wandel der Kommunikationslandschaft ist aber tiefgreifender, als viele wahrnehmen (können). So trifft neue Biolimonade auf alte Weinschläuche und verwirrt die Markenführer.
Derzeit häufen sich die Anzeichen, daß das Social Web relevanter ist, als das sog. Web 1.0 – und dieses relevanter, als klassische Medien. Folgte das Web 1.0 noch stark klassischen Kommunikationsformen (Webseite als hübscher Katalog, Werbung als reichweitenstarkes Imagetool etc.), funktioniert das Social Web komplett anders – aber eben nicht immer.
Es gibt Bereiche, da sind die alten Modelle richtig und erklären die Wirklichkeit. Aber in den meisten Bereichen der sozialen Medien ist das eben nicht der Fall. Und man muss sich dringend fragen, ob das in den meisten Bereichen unserer Welt nicht genauso ist? Dann aber wird es höchste Zeit, die eigenen Modelle, Grundlage jeder Investition und Entscheidung, zu überprüfen.

Was meine ich nun mit Markennähe? Im Medialexikon gibt es diesen Begriff nicht, dabei taucht er zum Begriff „G + J-Werbewirkungspanel“ mehrfach auf und wird dort mit „passive Markenbekanntheit, Sympathie, Kaufbereitschaft, Verwendung“ beschrieben. Das aber ist der berühmte Markendreiklang selber. Wieso kümmert sich also niemand darum (siehe Leerstelle im Lexikon), wenn es doch um den Kern der Marke geht?

Ich würde sogar weiter gehen: die Nähe wird nämlich eigentlich nicht durch die Nähe zur Markenverwendung beschrieben. Diese würde ich als Ergebnis der Nähe bezeichnen, oder als Meßwert der Markenbindung.

Nähe meint im Kern die Nähe zu den Markenwerten. Das Modell der Brand Personality beschreibt das sehr gut. Die drei Typen der Markenpersönlichkeit sind im gleichen Maße Dimensionen der Markennähe: Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, Ausdruck der eigenen Werte, Funktionale Nutzung eines Markenwertes. Der Wertekern der Marke stimmt mehr oder weniger mit dem Wertekern der Persönlichkeit des Nutzers überein.

Nun fällt es leicht, sich vorzustellen, daß verschiedene Typen von Markenfans zur gleichen Zeit auch verschiedene Übereinstimmungsgrade mit den Markenwerten haben. Sind die einen deshalb schlechter, besser, wichtiger als die Anderen? Ja und Nein.

Kommen wir kurz noch einmal zurück zu den Veränderungen in der (digitalen) Welt. Der Buchdruck, die Maschinen – alle haben wesentliche Züge der Welt verändert. Das Internet in eine Reihe mit diesen Veränderungen zu stellen, hieße, das Internet enorm zu unterschätzen.
Diese Veränderungen sind eben nicht nur produktiver Art, sondern, und das zeigen die derzeitigen Zahlen (vielleicht in dieser Deutlichkeit zum ersten Mal) auch sozialer Art. Um diese Änderungen in der Markenführung zu berücksichtigen, ist vielleicht Markennähe einer der wichtigsten Begriffe. Erlaubt er es doch, komplexe Antworten auf komplexe Umwelten zu geben.

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Nähe zur Marke, bombardieren wir nicht alle Menschen mit den gleichen Botschaften,  sondern mit solchen Images, Informationen und Services, die jeweils funktionieren, auf den Kanälen die dazu passen.

Auch hier können wir uns leicht vorstellen, daß die Nutzer sozialer Medien nicht so, oder so, oder so sind. Wir haben immer alle Typen zugleich z.B. auf der Fanseite bei Facebook. Das soziale Internet besteht aber eben nicht nur aus Facebook. Die Welt der sozialen Medien ist unübersichtlich groß und Ihre Wirkung auf die Wirklichkeit selten direkt. Eben deshalb fällt es so schwer, die Veränderungen wahrzunehmen.
Weiter erschwerend wirkt, daß die Medien selber nicht einfach einsortierbar sind. Massenmedien sind Massenmedien, aber Facebook ist nicht nur ein Massenmedium, es ist auch Tagebuch, Veranstaltung, Katalog und so vieles mehr. Weshalb man sich vor pauschalen Strategien hüten sollte, wie der Teufel die Biolimonade.

Die alten Modelle sind eben nicht einfach falsch, oder tod oder irgendwas – man muss nur wissen, wo man sie noch anwenden kann. Und dann sind selbst Massenmedien nicht immer nur Massenmedien.

Mehr dazu im zweiten Teil am Montag.

PS:

i. Quelle Artikelbild: Facebook – Chance oder Risiko für Marken? Eine Studie, die sich dem Thema sehr gut nähert. Sie liefert fundierte Aussagen, wann welche Inhalte für welche Arten von Markenfans wichtig sind und beschreibt so die unterschiedliche Nähe dieser Fans zur Marke. Darüber hinaus liefert sie einen ersten Ansatz zur Steuerung der Markennähe.
ii. Eine andere Studie dazu hatte ich schon 2008 auf dem Blog: MarkenNähe.

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