Marke & Identität III — die Basis Mensch
In der Welt der Unternehmen gibt es keine Menschen. Dort gibt es Mitarbeiter und Kunden. (Es gibt auch noch Partner, meistens im Sinne von Vertragspartner). Das macht natürlich Sinn. Wer Effizient möchte, muss Einfachheit akzeptieren.
In dieser Sicht ist ein Kunde ein Datenobjektstel mit verfügbarem Einkommen und materiellen und emotionalen Bedürfnissen. Was für ein Unfug. Materielle Bedürfnisse habe ich auf der untersten Ebene der Maslowschen Pyramide: Essen, Schlafen. Sobald das alles ist, was ich mir leisten kann, mag dieses Menschenbild genügen. Aber es stimmt selbst bei Aldi nicht mehr. Es gibt keine rationalen Entscheidungen _der Menschen_. Warum versucht das Marketing dann aber, diese rationalen Entscheidungen mit rationalen Fragen rationaler Studien auf den Grund zu gehen? Warum zieht sich dieses Menschenbild des rationalen Entscheiders durch das ganze Marketing?
Ganz einfach: weil die Betriebswirtschaft als Wissenschaft auf Zahlen beruht. Solange man Menschen nicht vermessen kann, fehlt also der Mensch – und wurde zum Kunden. Kunden kann man vermessen. Was ich persönlich ziemlich vermessen finde.
Die Systemtheorie bietet ein besseres Menschenbild. Hier ist der Mensch irrational. Das meint nicht, daß er verrückt ist. Das meint, daß er eine individuelle Rationalität besitzt. Die wiederum kann ziemlich verrückt sein. Nach aussen mag das so aussehen, als ob er auch hier materielle und emotionale Bedürfnisse befriedigen will. Das liegt aber eher an den Fragen. Brauchen Sie ein Auto für die Familie? ja. Finden Sie diesen Wagen schön? ja. Und jetzt? Wollen Sie mit diesem Auto Ihrem Nachbarn eins auswischen? JA! Welcher der drei Gründe ist wohl überzeugender? Frag‘ dich selbst? Forschst Du noch oder weisst du schon?
Wo kommen denn unseren materiellen und emotionalen Bedürfnisse her? Aus unserem Umfeld. Wer wollte denn die Familie gründen, die zum Familienauto führte? Wer fand den Wagen schön? Und vor allem: warum? Was sagen denn die Freundinnen zu dem Wagen? Der ist aber schön praktisch.
Die Idee des Homo Oeconomicus ist in Ihrer Basis genauso egozentrisch, wie die ganze Markenführung. Aber was kaufen wir schon für uns allein? Und selbst wenn wir das tun – was wäre ein Produkt, wenn wir nicht unseren besten Freunden davon erzählen können?
Der Mensch ist kein rationales, er ist ein soziales Wesen. Sobald er sich mehr leisten kann, als eine Stulle und ein Bett. Bis dahin mag er noch sein Ego tragen, danach wird es störend.
Brauchen wir wirklich erst die Social Media, um das zu lernen? Aus welcher Zeit stammt das Marketing eigentlich? Gehört es nicht längst generalüberholt? Genug Gründe, um das Marketing an der Basis neu zu definieren. Starke Marken haben das längst getan.
Am Anfang jeden Wirtschaftens steht ein Menschenbild. Für wen arbeite ich? Für den Kunden oder für dessen Geldbörse? Hat Steve Jobs je etwas für den Umsatz getan? Nein. Er hat Dinge entwickeln lassen, die er selber haben wollte. So _wie_ er sie haben wollte. Nämlich einfach und funktional. Apple Fans sehen das nur genauso. Damit hat er einen Zeitgeist getroffen und war der Garant für den Umsatz. Sein perfider Drang zur Perfektion führte zu Produkten, die verdienen, was sie verdienen. Dahinter steckte das Bild eines aktiven, mobilen, modernen Menschen. Und der liebt das ganze Apfelzeug.
Damit ein neues Menschenbild in die Wirtschaft kann und nicht bei Unternehmen wie DM stehen bleibt, dafür braucht es überzeugende Modelle. Der Aufruf zu – rationaler – Nachhaltigkeit, ist ebenso wenig überzeugend, wie er quadratisch, praktisch, gut sein kann. Ich denke, der Unterschied zwischen DM und Schlecker ist im Wesentlichen, daß DM ein normales Geschäft betreiben will. Eines, wo man sich z.B. nicht wie Massenhaltungshühner durch die Gänge quetschen muss. Eines für normale Menschen. Während Schlecker einfach nur reich werden wollte und auf die klassische Marktforschung vertraut hat. Selbst das ganze Engagement von DM entspricht auch _nur_ einem modernen Menschenbild.
Nein, damit die Unternehmen anders agieren, dafür braucht es Modelle, die Wissenschaft und Mensch gütig vereinen. Meßbar, Einfach, Anwendbar. Die Marke ist so ein Modell. Sie war nie nur ein Aufkleber. Das Zeichen war immer schon Träger eines Symbols. Symbole aber sind Wertebündel die von Menschen interpretiert werden. Das Modell der Marke ist nicht komplexer geworden, es hat angefangen Sinn zu machen. Nur die Meßmethoden sind komplex, weil sie aus einer anderen Welt kommen. Aus einer anderen Wirtschaftswelt mit einem anderen Menschenbild. Womit wir wieder am Anfang wären:
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Mithin muss die Marke ein soziales Symbol sein.
Höchste Zeit, mit Hilfe der modernen Markenführung längst überholte Ansichten, wie man Geld verdient, über den Rand der Erde zu schubsen, bevor damit auch der letzte kein Geld mehr verdient. Das wäre mal ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Und da rede ich noch nicht einmal über den enormen Anteil des Dienstleistungssektors, für den das Markenmodell der Schokoriegel nicht so ganz sauber funktioniert. Aber dazu demnächst mehr.
Bildquellen: Schokoriegel & Erdscheibe