Hallo BYTON: Brauchen StartUps eine Marke? Ein Interview.
StartUps sind mit dem Thema Marke im Allgemeinen wenig vertraut. Das ist schade.
Es geht auch anders. Die Marketingchefin Europa eines der derzeit heißesten StartUps der Welt – BYTON – war zu einem Kongress in Berlin und stand für mein kleines Interview Rede und Antwort.
„Die Welt braucht kein neues Auto im herkömmlichen Sinne, sondern eine bessere Zeit im Auto. Time to be.“
Dr. Hanna Schumacher, BYTON
MarkenWelten: Liebe Fr. Dr. Hanna Schumacher, wie StartUp fühlt sich BYTON?
Dr. Hanna Schumacher: Das kommt natürlich immer auf die individuelle Interpretation des Start-Up-Gefühls an. Wir sind als europäische Marketingzentrale gerade von unserem Design-Office in Ismaning in ein CoWorking-Space im Zentrum von München gezogen. Das entspricht vom äußeren Eindruck tatsächlich wohl eher einem klassischen Startup-Bild.
Und: Die Hierarchien sind nach wie vor sehr flach, es herrscht auch in Deutschland bei uns eine Kultur des Duzens und der schnellen Entscheidungen. Unsere Mitarbeiter können hier im Unternehmen sehr schnell etwas bewegen und viel von sich einbringen – das ist sicher auch ein Grund, warum viele Kollegen aus sehr sicheren Arbeitsplätzen zu uns gekommen sind und immer noch kommen. „New Work“ wird hier im Unternehmen konsequent gelebt.
Auf der anderen Seite benötigt man bei Mitarbeiterzahlen von weltweit mittlerweile 1.700 Kollegen natürlich klare Prozesse und Strukturen, die möglicherweise einem klassischen Start-up-Bild widersprechen.
MW: Ein StartUp muss unglaublich viel unglaublich gleichzeitig tun. Bleibt da überhaupt Zeit für Marke?
Dr. Hanna Schumacher: Diese Zeit und eine entsprechende Priorisierung muss es geben, sonst wird das Gesamtkonzept aus den eben erwähnten Gründen nicht funktionieren. Dieses Bewusstsein ist bei BYTON auch fest im Gründungsteam verankert. Natürlich half dabei, dass mit unserem VP Marketing, Henrik Wenders, ein erfahrener Marketeer zu eben diesem Gründungsteam gehört.
MW: Gab es einen besonderen Impuls für die Relevanz von Marke?
Dr. Hanna Schumacher: Die Wichtigkeit eines klaren und starken Markenbildes stand von Anfang an fest. Allerdings wurden wir schon sehr früh bestätigt, dass wir mit BYTON offensichtlich genau richtig agieren.
Ein guter Gradmesser dafür ist das Medienecho, das bereits bei der Präsentation unseres ersten Konzeptfahrzeugs großartig war. Bei Events wie der CES in Las Vegas oder der Milan Design Week haben wir trotz der Anwesenheit von weit größeren und bekannteren Marken auch aus dem Automobilbereich große Beachtung erfahren.
Und noch mehr: Die Botschaften, die wir im Marketing entwickelt haben, waren offensichtlich so stimmig und authentisch, dass diese medial schnell verbreitet wurden.
MW: Welche Vor- und Nachteile hat ein StartUp aus Ihrer Sicht, wenn es um Marke geht?
Dr. Hanna Schumacher: Die wohl größte Herausforderung eines StartUps ist es, Vertrauen ohne ein gewachsenes Markenfundament aufzubauen.
Dafür müssen Markenversprechen und Produktversprechen glaubwürdig zusammen passen. Der große Vorteil ist, dafür tatsächlich bei Null anfangen zu können, auf einem weißen Blatt Papier.
So konnten wir bei BYTON eine Marke aufbauen, die der Welt im Hier und Jetzt einen echten Mehrwert bringt – ohne Markenheritage und Ballast aus Zeiten, in denen die Ansprüche an Mobilität und auch die technischen Voraussetzungen ganz andere waren.
Der vermeintliche Nachteil eines StartUps eben noch keine Markenheritage zu haben, verwandelt sich damit zu einem echten Vorteil.
Früher ging es bei Autos primär um Fahrleistungen. Beschleunigungswerte, Spitzengeschwindigkeit, Rundenzeiten auf der Rennstrecke – all das, was man auf den Karten des Autoquartetts stehen hatte, definiert bis heute das Markenbild der großen Automobilkonzerne.
Ein gutes Beispiel dafür ist, die in des Sechzigerjahren geprägte Weisheit aus dem Automobilmarketing „Win on Sunday, sell on Monday“. Heute spielt Motorsport bei jungen Leuten so gut wie keine Rolle mehr.
Das über Jahrzehnte aufgebaute Image ist aber noch präsent. Ein solches Bild auf die neuen Ansprüche an Nachhaltigkeit, Connectivity und oder smarten Mobilitätsdienstleistungen anzupassen ist viel schwieriger, als eine neue Marke aufzubauen.
Wir bei BYTON haben uns die großen gesellschaftlichen, technischen und kommunikativen Veränderungen der letzten Jahre angeschaut und darauf unsere Marke gegründet. Die Menschen da draußen möchten die Zeit im Auto sinnvoll nutzen – erst recht wenn Sie diese im Stau verbringen.
Dabei ist Datapower viel wichtiger als Horsepower. Unsere Fahrzeuge sind wie eine digitale Lounge gestaltet: mit allen Möglichkeiten, die wir heute von unseren Smart Devices kennen.
Entsprechend glaubwürdig ist unser Markenversprechen „time to be“ und unser Produktversprechen, den Kunden eine sinnvoll genutzte Zeit im Auto zu ermöglichen.
MW: Welche Rolle spielt die Marke dabei nach Innen?
Dr. Hanna Schumacher: Unsere Markenwerte werden konsequent gelebt. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Markenwert Approachability, also Nahbarkeit.
Wir haben ein sehr offenes Miteinander. Bei BYTON gibt es keine Hierarchiedünkel. So können neue Ideen schnell umgesetzt werden und versanden nicht auf dem Weg durch Konzerninstanzen.
MW: Ein Thema mit dem BYTON sich ebenfalls beschäftigen muss und das wohl viele StartUps beschäftigt: Wie wichtig ist Marke, bevor die Produkte auf den Markt kommen?
Dr. Hanna Schumacher: Ohne ein etabliertes Produkt entsteht die Begehrlichkeit ausnahmslos durch die Marke. Also muss diese aufgebaut sein, wenn die Produkte auf den Markt kommen. Oder sogar davor. BYTON setzt hier ja auf ein Direktgeschäft, also „build to order“ statt „build to stock“. Vorbestellungen im mittleren fünfstelligen Bereich bis jetzt sind ein tolles Zeichen dafür, dass uns das gut gelungen ist.
Der BYTON M geht Ende des Jahres in den Verkauf.
MW: Wieviel „BMW-Markendenke“ steckt in BYTON?
Dr. Hanna Schumacher: Natürlich steckt in BYTON auch die Erfahrung, die wir im Rahmen unserer früheren Positionen – zum Beispiel bei BMW – sammeln durften. Die Marke BYTON funktioniert jedoch nach ganz anderen Kriterien.
Das BMW-Markenimage stammt aus einer ganz anderen Zeit, es gibt hier eine enorme Heritage, auf die wir bei BYTON aus oben genannten Gründen verzichtet haben. Die Erfahrung war ein gutes Fundament, wir mussten aber sehr schnell sehr viel dazu lernen. Und tun das immer noch.
MW: Wie haben Sie Marke organisatorisch verankert?
Dr. Hanna Schumacher: Die Entwicklung und Führung der Marke ist in der Organisation von Anfang an stark verankert. So werden die unterschiedlichen Märkte durch regionale Markenteams betreut, der Content und das übergeordnete Markengerüst jedoch zentral gesteuert – weitestgehend hier aus München.
MW: Was ist wichtiger: Gestaltung oder Kommunikation der Marke?
Dr. Hanna Schumacher: Das hängt so eng zusammen, dass eine Trennung bei BYTON gar nicht möglich ist.
Natürlich ist uns die Ästhetik sehr wichtig – wir sind ein Premium-Lifestyle-Produkt und wollen auch entsprechend wahrgenommen werden.
MW: Ihr Markenname integriert zwei Branchen: 1. Bytes / IT on 2. Wheels / Automotive, wo liegt der Schwerpunkt der Marke?
Dr. Hanna Schumacher: Ganz klar bei Bytes. Die Welt braucht kein neues Auto im herkömmlichen Sinne, sondern eine bessere Zeit im Auto. Time to be. Das Auto dient unseren Kunden dabei primär als „Enabler“, um die Zeit, die er benötigt, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, sinnvoll nutzen zu können.
MW: Wie drückt sich das in Maßnahmen aus?
Dr. Hanna Schumacher: Wir sind da, wo unsere Dialoggruppe ist und wir wissen, dass unsere Botschaften ankommen. Das bedeutet auch, dass wir eher auf einer CES in Las Vegas oder der Milan Design Week anzutreffen sind, statt auf dem Autosalon in Genf.
MW: Das Standardthema jedes StartUps: Disruption etablierter Märkte. Hilft Marke?
Dr. Hanna Schumacher: Ja klar, je authentischer die Positionierung an die aktuellen Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst ist, desto größer sind die Chancen, sich neu oder eben weiterhin zu behaupten.
MW: Ist die Stärke etablierter Marken eher ein Problem oder ein Vorteil?
Dr. Hanna Schumacher: Das kommt darauf an, worin diese Stärke besteht. Eine starke Markenheritage hilft nur dann, wenn diese zu den aktuellen Bedürfnissen im Markt passt. Oder andersrum: Was nützen einem Dynamik, Fahrspaß und top Performance, wenn diese Attribute heute immer weniger gefragt sind, weil sie im Metropolenverkehr gar nicht abgerufen werden können.
Solange diese Attribute aber den Großteil der Marke ausmachen, ist es ungemein schwer, die Marke zu aktualisieren, also neue Botschaften hinzuzufügen.
Sieht aus wie ein Auto – ist aber
ein vernetzter Lebensraum.
MW: Ein aktuelles Thema der Markenforschung ist Country-of-Origin: wie relevant ist China als Produktionsstandort für die Marke BYTON?
Dr. Hanna Schumacher: Wir sehen uns als globale Marke und sind entsprechend aufgestellt. Das Kernteam von BYTON besteht aus einem Team führender Experten aus China, Europa und den USA mit ehemaligen Positionen in Unternehmen wie BMW, Tesla, Google oder Apple.
Unsere Produktion steht in China, unsere Designzentrale in München, große Teile der für BYTON enorm wichtigen Entwicklung geschehen an unserem Standort in Santa Clara / Silicon Valley.
MW: Damit hängt die Frage der Zielgruppe eng zusammen. Wie global können Marken heute sein?
Dr. Hanna Schumacher: Sehr, wir bauen bei BYTON ein globales Bild. Wichtig ist es dabei für uns auch die großen gesellschaftlichen und kommunikativen Veränderungen zu berücksichtigen, die erst einmal gar nichts mit dem klassischen Verständnis des Automobils zu tun haben.
Connectivity, die selbstverständliche Nutzung von elektronischen Kommunikationsmedien sowohl in der Freizeit als auch beruflich sind weltweit in den Metropolregionen stattfindende Megatrends. Und zwar genauso wie die Veränderung des Mobilitätsverhaltens.
Mobility associated Sharing Services werden gerade von der jüngeren Generation weltweit wie selbstverständlich genutzt – und zwar sobald diese angeboten werden. Gleichzeitig verändert sich das Verhältnis zu Statussymbolen.
All das passiert heute weltweit und spiegelt sich bei BYTON nicht nur im Produkt, sondern eben auch in der Marke wider.
MarkenWelten: Vielen Dank für den wertvollen Einblick Fr. Dr. Schumacher! Ich hoffe sehr, daß unser Interview StartUps hilft, von Beginn an starke Marken aufzubauen.
Das Interview führte Michael Domsalla, KMTO, für die Marken Welten.
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