Content 2020 – die wichtigste Content Strategie, die keine ist.
Die Coca-Cola Content 2020 Strategie ging um die Welt. Pünktlich zum Sonnenaufgang einer neuen Spielwiese für Marketeers launchte Coca-Cola öffentlich ein Video mit strategischen Insights. Blogs in aller Welt reagierten schnell: Social Media at it’s best, Content Strategie rulez u.s.w.. Das Video ist irrsinnig schnell, die Masse an Informationen, die man in 18 Minuten verpacken kann, schier unglaublich. Wäre das Video zur neuen Coke-Strategie ein Hollywoodfilm, er hiesse „The dawn of content strategy“.
Content, hochgradig verdichtet
Auch wenn ich zum Prelaunch der Strategie einen ganzen Tag mit dem Coketeam Deutschland verbracht habe – erst die Vorbereitungen zu meiner letzten Seminarreihe zwangen mich, da mal genauer hinzuschauen. Um genauer zu sein: 3 ganze Tage verbrachte ich mit der Analyse der 18 Minuten. Dazu kam ein umfassendes Q&A mit den Verantwortlichen bei Coca-Cola Deutschland, so viele Fragen hatten sich angesammelt. Das Ergebnis des ganzen Aufwandes: das ist keine Content-Strategie, es ist auch keine Social Media Strategie. Wenn überhaupt, ist es The dawning of a new age of business.
Als rationaler Emotionalist nehme ich jetzt mal die esoterischen Anklänge raus (während im Hintergrund die Musik von Hair läuft ;-):
Der Content des Unternehmens selbst
Das Ziel ist eindeutig: Umsatzverdopplung bis 2020. Viele Entscheider brauchen das. Wobei man sich genau an dieser Stelle fragen muss: wozu? Schauen wir also noch genauer hin: Coca-Cola kann nicht mehr in weitere Länder expandieren. Diese Art des Wachstums ist erledigt. Das Unternehmen ist in allen Ländern der Welt gut vertreten, mit Ausnahme von Zweien. In ein Land dürfen sie nicht, in das andere, Zitat: „Da wollen wir auch nicht sein.“ Klar, welches das ist? Wachstum geht also nur durch Mehrverwendung. Dabei soll Wasser nicht
verdrängt werden, im Gegenteil, Wasser ist Grundlage und „best pale“. Beweis: tausende Ekocenter, die kostenloses Wasser zur Verfügung stellen. Und wenn so ein Ding schon mitten in der wasserlosen Pampa steht, gibt es gleich noch kostenloses Internet dazu.
Der Content des Contents
Richtig, wir sind immer noch in der Content Strategie 2020. Da lohnt es sich, auf die Definition von „Content“ zu schauen, die gegeben wird:
„The creation of stories that are to be expressed through EVERY possible connection.“
Ohne „the creation of“ lässt sich der Satz gut verstehen, wie man neudeutsch sagen würde: „geile Stories“. Die Welt ist vernetzt und gute Geschichten finden ihren Weg. Content ist aber „the creation of stories“, also nicht die Stories selber, m.a.W. der Weg ist das Ziel. Wir Menschen haben traditionell zwei Wege, Wissen und Werte zu bewahren: Geschichten und Verhalten. Beides findet sich in dem einen Satz zusammen. Zum Content gehört aber noch mehr, als Geschichten, die durch Verhalten authentisch und glaubwürdig werden.
Der Ausdruck der Geschichten nicht in Kanälen, sondern in Connections. Diese Verbindungen kann ich technisch verstehen, dann bin ich schon Pro im Webmarketing. So ist es aber nicht. Menschen sind miteinander verbunden, durch Interessen, Werte und Verhalten. Egal, ob diese Connection eine große oder kleine Reichweite hat. Der Content MUSS da durch ;-)
Womit sich eine wesentliche Änderung zum herkömmlichen Verständnis von Content ergibt: Nix was man lesen, anschauen und verstehen kann. Vielmehr der Gehalt menschlicher Beziehungen.
Bis hierhin habe ich ca. 12 Sekunden aus den 18 Minuten wiedergegeben. Die gesamte Strategie würde ein Buch füllen. Bevor ich soweit gehe nur noch einen dritten Ausschnitt, die Marktforschung.
Coca-Cola gehört ohne Frage zu den Unternehmen, die enorme Summen für Marketing zur Verfügung haben. Was sich hier ändert, hat allerdings mit Geld nicht mehr viel zu tun. Werbung kostet viel Geld. In aller Konsequenz schafft einer der größten Werber der Welt das Primat der Werbung gerade vollständig ab. Kritik: „only incremental change“. Wir sprechen hier von einem Multi-Milliarden-Dollar-Business (Werbung), dessen selbsterhaltende Strukturen nicht ohne sind. But:
Marken müssen vorne sein, Category Leader. Die Content 2020 zeigt uns, wo vorne heute ist. Während sich erste schon über den Outcome beschweren, übersehen sie jedoch Struktur und Komplexität der Strategie. Mehr noch: wo und wie die Strategie wirkt. Nicht mehr „nur“ im Werbeblock, sondern da, wo sie Menschen berührt und bewegt. Wenn man Wesentliches ändern will, muss man an die Quelle. Die Quelle der Coca-Cola Company, der meines Erachtens größten Marke der Welt, ist an vielen Stellen berührt. Zum Einen beim Zweck des Unternehmens selbst (s.o.), bei der Art zu arbeiten (s.m.) und nicht zuletzt an einem praktischen Punkt, den sich jeder schnappen kann: das Briefing.
Neues Briefing ermöglicht neuen Content
Die Grundlage des Briefing kommt aus der Marktforschung. Knowledge und Insights, Statistiken und Verständnis von Kundenbedürfnissen, das sind die Grundlagen guter Werbung und Markenführung. Diese Grundlagen hatten keinerlei Einfluß auf die erfolgreichen Kampagnen der letzten 10 Jahre (Zitat Coca-Cola, Content 2020 [sic!]). Höchste Zeit also, Konsequenzen zu ziehen. Aber: macht das Einer? Kaum.
Coca-Cola hat auch die Marktforschung umgestellt. Erst hier entstehen die Grundlagen für ein anderes Briefing. Das Geld für Knowledge & Insights fliesst also jetzt in:
- 30% für inspirierende Räume (emotional Spaces) + provozierende Werkzeuge (wie die Immersion Safari)
- 15% für interaktive Feedback und Online Dialog Tools
- 30% Link testing
- Rest: Evolution von Inhalten und Gesprächen
In einem Wort: von Adtrack to NetBuzz Testing. Auch hierzu liesse sich noch Einiges schreiben. Die Erkenntnis im Kern: Nicht die Wirkung testen, sondern die Idee. Ich denke, wichtig ist zunächst nur Eines: Coca-Cola ist vorne. Die Strategie ist die Marketingstrategie einer starken Marke. Höchste Zeit also, sich genauer damit zu beschäftigen, als 18 Minuten Video zu schauen. Die Inhalte werden uns die nächsten Jahre begleiten.
Der Content des Wirtschaftens auf einer runden Kugel
Insbesondere lege ich das den Techfirmen und Medien ans Herz! Die Frage ist doch: Was passiert mit den Gewinnen? Technologie skaliert mit wenigen Mitarbeitern schnell global. Das verändert etliches in den Strukturen und Prozessen der Wirtschaft, da massenhaft Arbeitsplätze, im Gegensatz zur Industriekultur, nicht gebraucht werden. Wenn ich aber weiter wachse, unendliches Geld anhäufe, dann bekommt ein Unternehmen mehr Verantwortung, als in den alten BWL-Rezepten erwähnt wird. Salesforce hat damit begonnen, denkt aber viel zu klein. Nur: der Rest denkt noch gar nicht.
Wenn das also keine Content oder Social Web Strategie ist, was ist es dann? Nun, die Coca-Cola Content 2020 ist eine erstklassige Markenstrategie im 21. Jahrhundert, offen zur Nachahmung. Sie ist allerdings noch etwas: eine Antwort auf die Frage nach Wachstum im 21. Jahrhundert. In einer Zeit, in der es jetzt schon von allem zu viel gibt, aber von manchem zu wenig.
Just eben höre ich die Worte „Happines & Understanding“ aus dem Soundtrack von Hair. (kein Witz, läuft wirklich gerade). Happines together hat sich Coca-Cola auf die Fahnen geschrieben. Wie wärs mit „Understanding“ als Firmenzweck, liebes Google, liebes Facebook? Die Hippies haben das Internet doch erst auf die Straße gebracht, das Valley ist voll davon und die Haarlänge der Geeks nicht zufällig identisch. Zukunft ist machbar, mehr noch als mit neuen Spielzeugen. Oder wie man eine Musikepoche vorher sagte: Let the good times roll*.
* aus dieser Textteile stammt der Genrebegriff Rock’N’Roll, was wiederum die Haltung des Rock’N’Roll beschreibt und guten von schlechten Rock’N’Roll unterscheidbar macht ;-)
Bildquellen: Artikelbild Screenshot aus dem Coca-Cola Video, die anderen Bilder sind mit der Quelle verlinkt. „Should Coca-Cola quit…“ als CC-Lizenz 3.0 vom 30.04.2014.