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Notizen

Twitter ist snm II – der Fall Winnenden

Welche Aufregung. Vermehrt durch ein Medium, daß Aufregung nicht gut verträgt, zumindest, wenn es um Diskussionen geht. Der Lauf des Alltags, ok, aber das? Dafür ist Twitter wirklich nicht geeignet. Wirklich nicht?

Drei Dinge stehen im Zentrum der Aufregung und auf der Anklagebank: @tontaube, @FOCUSlive und @Twitter überhaupt. Denken wir nochmal an die Definition: Twitter ist social news messaging.

  • Ding 1)

Twitterfrau tontaube schreibt Ihren Freunden: „kommt nicht in die Stadt – keine Ahnung, was los ist, aber kommt nicht in die Stadt“
Eine Kurz- Nachricht für Ihre Freunde also. Einmal geschickt, an alle, die Ihr auch sonst zuhören. Keine für die Medien. tontaube ist keine Journalistin, wird keine Journalistin und will auch keine sein. Man braucht schon jede Menge Ignoranz, um Ihre kurzen Nachrichten auf Twitter mißzuverstehen und ihr was auch immer vorzuwerfen.

Ja, man kann die News im Internet finden. Nein, sie sind nicht für das Internet geschrieben worden. Schluß aus.

Es war nur eine Nachricht für den sozialen Kreis von tontaube. Wer mehr daraus macht und ihr das dann vorwirft, dem gehört die Schuld, nicht umgekehrt. Wenn dieser jemand, Journalisten aus aller Welt, auch noch vom Fach „Fragen und Wiedergeben“ sind, umso schlimmer. Hier gehört ein Vorwurf hin. Nirgends sonst.

  • Ding 2)

„Guten Tag, liebe Leser, hier ist wieder Ihr Focus-Online-Live-Team. Wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die schlechte: Es gibt zwei weitere Todesopfer. Die gute: Unsere Reporter sind auf dem Weg zum Tatort, der Verkehr läuft flüssig, und die Frisur sitzt.“

So Stefan Niggemeier über das Livetwittern des Magazin Focus. Sehe ich auch völlig anders. Twitter bietet eine spannende Zusatzfunktion – den Kontext. Dieser ist Teil der Nachricht und wird in allen klassischen Medien vernachlässigt. Er kann sogar wichtiger sein, als die Nachricht selbst.
Vielleicht hat der Focus diesen Kontext nicht perfekt rübergebracht, daß kann man in einem so jungen Medium _gemeinsam_ üben. Aber ihn wegzulassen fände ich mehr als schade. Das Zitat ist ja auch deswegen überzeichnet, weil die zeitliche Reihenfolge nicht mehr stimmt. Ein nicht ganz unwesentlicher Teil des Kontext.
Was mich aber richtig stört, ist dieses permanente Gleichsetzen mit den klassischen Medien. An Auswahl eines Nachrichtenkanals war nun wirklich kein Mangel und warum um alles in der Welt, sollte Twitter das Gleiche machen, wie Zeitung, TV, Radio und dpa? Und überhaupt: wer sagt denn, daß ich das Lesen muss? Wer hat denn bitte diesen Unfug vom Bürger- Journalisten in die Welt gesetzt? Hallo?

Die Kunst für die Medien wird es sein Twitter in das Konzert der Kanäle sinnvoll einzuordnen. Dabei sind die sozialen Werte der eigenen Leserschaft das Wichtigste (so wie das für Zeitungen insgesamt wieder wichtiger wird). In diesem Sinne sehe ich auch die Antwort des Focus Online Chefredakteurs. Die Diskussion über den Sinn und die Nutzung von Twitter hat gerade erst begonnen. Gut so. Twitter ist jedenfalls kein dpa- Ticker.

  • Ding 3)

Was ich überhaupt nicht verstehe ist, wenn man Twitter für irgendwas verantwortlicht macht und nicht die Nutzer? Die Menschen sagen Dinge, nicht Twitter. Wenn also Menschen sich unanständig, falsch oder sonstwie benehmen, liegt das wohl kaum am Tool. Wer immer noch nicht verstanden hat, das digitale Medien keine intensive Kommunikation zu lassen, hat genau jetzt Gelegenheit dazu. Ich persönlich mache auch nicht die eMail verantwortlich, wenn jemand das 20igste Replay mitsendet an 40 möglicherweise, irgendwie, vielleicht relevante Adressaten.
Und wo wir schon beim Menschen sind: so, wie sich viele auf Twitter zum Thema geäußert haben, so tun sie es auch in der Face-2-Face Kommunikation. Das „Nachtwittern“ anderer Meldungen zeigt vielleicht am Deutlichsten, daß es um Kommunikation geht, weniger um Information. Im „real life“ war es ja nicht anders. Es wird unheimlich schnell einfach alles ausgetauscht. Das ist Sozialverhalten. Es geht um soziale Sicherheit. Wenn also überhaupt: Twitter ist ehrlich. Genau so ehrlich, wie Menschen in Ihren sozialen Netzwerken – Freunde, Bekannte, Kollegen – was auch immer, eben sind oder nicht sind.

Die Art der Kommentare auf Twitter – und überall sonst – ist auch ein Ergebnis unserer Medienlandschaft, was sie berichtet und wie. Die Schuldigen sind irgendwo da draussen. Andacht. Denken. Pause.

Winnenden war weder der erste Twitter- Fall noch der erste Twitter- Fail. Und ich treffe mich mit einem Twitterer, mit dem wir darüber getwittert haben, zum Kaffee. Dann sprechen wir miteinander. Von Mensch zu Mensch. Nächste Woche. Soviel Zeit muss sein. Die Diskussion wird auf allen Kanälen geführt werden und auf jedem anders. Menschen sind unterschiedlich. Medien auch.

2 Gedanken zu „Twitter ist snm II – der Fall Winnenden

  • Mehr noch, ich hatte ihn geschrieben, weil deine Kritik und die Anderer wie @sebaso ziemlich genau zeigt, in welchem Medium wir uns bewegen. Wie sehr es um Menschliches geht. Hier können wir weiter nachdenken, „in welcher Welt wir leben wollen“. Was ist Twitter wirklich? Was kann uns Winnenden lehren? Wer hat noch eine eigene Meinung?

  • Pauschalverurteilungen sind immer schlecht.
    Man sollte auch nicht von einem einzelnen User auf den „Typ“ des Twitterers allgemein schließen, darin sind wir uns sicher alle einig.

    Jeder, der über eine längere Zeit bei Twitter aktiv ist, weiss, dass die Unterschiede im Auftreten und in der Nutzung dieses Tools ganz genau so groß sind, wie es dem Wesen der Menschen im „richtigen Leben“ entspricht.
    Und nicht nur sind dort höchst unterschiedliche Typen vertreten, sie verändern darüber hinaus auch oft genug den jeweils eigenen Output an Tweets, ganz so, wie es der aktuellen Stimmung und individuell erscheinenden Notwendigkeit, Lust und Laune entspricht.
    Das alles muss man gelten lassen, denn tatsächlich sind es Menschen und keine Maschinen, die den vorgegebenen Rahmen, das Tool „Twitter“ gestalten.

    Das Bild, das sich ein Aussenstehender von Twitter macht, ist wie immer von einer solchen Position aus gesehen, eine Fremdeinschätzung.
    Die Tatsache als solche, also eine Betrachtung von aussen, muss ebenfalls als legitim angesehen werden, denn schließlich handelt es sich nicht um einen Geheimclub oder einen elitären Verein, dessen Mitglieder handverlesen wären.
    Jeder kann beitreten.
    Jeder bestimmt auch selbst, wie er sich dort bewegt.
    Und jeder muss wissen, dass alles, was er dort von sich gibt, für jeden x-beliebigen Internetnutzer nachzulesen ist, weil die Suchmaschine die Äusserungen speichert, sofern man sein Nutzerkonto nicht über den von Twitter angebotenen Protected-Modus abschließt.

    Die Follower meines – protected – Accounts kennen meine Meinung zum Geschehen auf Twitter im Zusammenhang mit dem furchtbaren Geschehen in Winnenden.
    Sicher ist auch der Eindruck anderer User deswegen anders, weil der Kreis der Follower jeweils unterschiedlich ist und auch nicht jeder die Zeit dazu hat, über die eigene Timeline hinaus die Tweets anderer Nutzer zu lesen.

    Viele Aussenstehende sind über die Berichterstattung in den Medien aus diesem traurigen Anlass auf Twitter aufmerksam geworden und viele Neuanmeldungen gehen offensichtlich auf diesen Umstand zurück.

    Die Twittergemeinde hat durch ihre Aktivitäten dazu nicht unwesentlich beigetragen und bestimmt genau dadurch auch das Bild, das die Öffentlichkeit sich von „Twitter“ macht, ganz wesentlich mit.
    Auch darüber sollte sich jeder Einzelne klar sein.

    Was mir im konkreten Fall besonders negativ auffiel, ist eine aus meiner Sicht reichlich geringe Bereitschaft zur Selbstkritik.

    Unübersehbar und auch völlig zurecht wird die Berichterstattung vornehmlich der Boulevard-Presse zur Katastrophe angeprangert.
    Und was macht ein Großteil der Twitternutzer ?
    Er befeuert die Maschinerie auch noch.

    So leid es mir tut :
    ich konnte die Betroffenheit und „Hilflosigkeit“ mancher Twitterer nicht recht nachvollziehen.
    @tontaube wurde in vielen Medienberichten mit ihrem Tweet zititert, in dem sie (sinngemäß) sagte, sie wisse doch auch nichts.
    Obwohl ihr nach kurzer Zeit klar sein musste und wohl auch war, dass sie im Zentrum auch des Medieninteresses stand, und davon ausgegangen werden musste, dass alle weiteren Äusserungen jetzt mit gesteigertem Interesse verfolgt wurden, hat sie meines Erachtens darauf nicht mit Zurückhaltung reagiert.
    Mit eben der Zurückhaltung, die man von der sensationslüsternen Presse zurecht teilweise lautstark auch auf Twitter eingefordert hat.

    Stattdessen wurde auch von dritter Seite regelmässig über den neuesten Stand der Reaktion in den Medien „berichtet“ – durch Tweets etwa wie diesen :
    „Meine Freundin und ich in [sowieso Online-Bericht einer Zeitung ]“.
    Der Inhalt dieses Berichts beispielsweise lief gegen Null. Nicht verwunderlich, denn man hatte ja auch nichts zu sagen, außer der Tatsache, dass eine deutlich räumliche Nähe gegeben war, bestand keinerlei Bezug zum Geschehen.

    Wo wäre das Problem gewesen, die vielfach eingehenden Interviewanfragen mit einem simplen: „No comment – ich kann nichts Wissenswertes beitragen “ abzulehnen ?
    Sind sämtliche Berichte über die unbeabsichtige Öffentlichkeitswirkung des zitierten Tweets von Tontaube ohne ihre Zustimmung erschienen ?
    Haben die Zeitungen und das Fernsehen das , einschließlich Foto und Link auf ihren Twitteraccount ungefragt veröffentlicht?

    Tontaube ist keine Journalistin und will auch keine sein, wie man liest.
    Dennoch hat sie, was dem Blogpost ihres Freundes zu entnehmen ist, am Ende des ereignisreichen Tages offenbar einen Artikel auf Anfrage einer schwedischen (!) Zeitung geschrieben.
    Das gebotene Honorar soll dem WWF zufließen.
    Die Twitter-Nutzerin @tontaube „profitiert“ inzwischen und über Nacht durch einen massiven Followerzuwachs, der durch einen hohen Anteil wenig oder genau deswegen aussagekräftiger Neuanmeldungen gekennzeichnet ist.

    Diese Dinge sollte man bei der Medienschelte auch nicht außer Acht lassen.
    Ebensowenig wie beispielsweise die Praxis von @baranek , einem bei Twitter aktiven Journalisten.
    „Fassungslosigkeit“ ist noch ein Hilfsbegriff dafür, wie ich seine (mehrfache) Veröffentlichung von Fotos sowohl der „belagernden Presse“ als auch des Elternhauses des Amokläufers via Twitpic auf Twitter verfolgt habe.
    Kritik dazu habe ich selber wenig gelesen, auf meine entsprechende eigene Kritik durch nicht wenige Tweets kam wenig Reaktion.
    Vielmehr hatte ich das Gefühl, man macht sich dadurch in den eigenen Reihen bei den meisten eher unbeliebt.

    Ja -man kann Leute einfach „entfolgen“, wenn man sich mit ihrem Verhalten auf Twitter nicht mehr identifizieren will.
    Es ist auch ein legitimes Mittel, durch Schweigen zu signalisieren, dass man sich an laufenden Aktivitäten nicht beteiligen will.
    Aber warum ist es so schwierig , aus der Kritik Anderer, auch wenn sie bei Betrachtung von aussen nur ein eingeschränktes Bild liefert und möglicherweise einseitig ist, auch etwas anzunehmen , oder zumindest das Gespräch zu suchen , um ein eventuell einseitiges Bild gerade zu rücken ?

    Ich meine, die User selber könnten dazu eine Menge beitragen – wenn sie denn wollen.
    Und wenn es im konkreten Fall tatsächlich um Betroffenheit ging.
    In Stuttgart fand am Abend der Katastrophe eine Plogbar-Veranstaltung wie geplant statt.
    Auch unter Teilnahme von @tontaube und @baranek.
    Wie man eine fröhliche Runde, die wieder per twitpic der Twittergemeinde (und man darf auch hier die Möglichkeit des Zugriffs der ganzen Internet-Welt nicht vergessen) gezeigt wurde, bewertet, ist selbstverständlich auch wieder jedem selber überlassen.

    Ich bin froh, dass nicht alle Welt in Echtzeit auf die Veröffentlichungen bei Twitter aufmerksam wurde.
    Ich bin auch froh, dass nicht jeder Twitterer die Masse der Tweets zum Amoklauf wahrgenommen hat.
    Am Tag nach dem Amoklauf las ich einen Tweet eines Followers aus London :
    „Hearing about the German massacre on BBC News. So sad. What’s wrong with this world?“
    Der Verfasser und ich haben auch über die sichtbare Timeline hinaus Kontakt, obwohl wir uns nicht persönlich kennen.
    Ich möchte ihm von meinen Erlebnissen lieber nichts erzählen.
    Und ich bin weit davon entfernt, mich etwa „fremd zu schämen“.
    Jeder ist, da stimme ich vollkommen zu, für das, was er auf Twitter veröffentlicht, selber verantwortlich.
    Er sollte aber auch bereit sein, seine Verantwortung dafür gegenüber Kritikern zu übernehmen, sonst darf er nicht bei Twitter auftreten, denn auch das ist ein öffentlicher Raum.

    Twitter ist und kann mehr, als das was in vielen Medienberichten zur Sprache kommt.
    Leider nicht nur im positiven Sinne.
    Ich bin sehr dafür, dass man im virtuellen Kontakt und Auftreten die gleichen Maßstäbe anlegt, wie man das im „richtigen Leben“ auch tut.
    Und ich habe einige virtuelle Kontakte, über die ich mich sehr freue, weil sie mich auch konstruktiv-kritisch im richtigen Leben bereichern.

    kmto ,der auch zu meinen Followern bei Twitter gehört, hatte mich eingeladen, dieses Blogpost zu kommentieren.
    Tut mir leid, dass dieser Kommentar recht lang geworden ist, ich hoffe aber, dass er zum besseren Verständnis meiner Tweets und meiner Kritik beiträgt.

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