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Social Media Bullshit – 10 x Unsinn, der gerne verbreitet wird

Auf meiner letzten Beratungsrundreise kamen die beliebtesten Irrtümer im Social Web alle zusammen. Aber weil so viele unterschiedliche Unternehmen mit Ihren Erfahrungen dabei waren, konnten sie gut als Unsinn verifiziert werden. Nun also einmal gesammelt, Ergänzungen erwünscht:

  1. Ich verliere die Kontrolle über die Marke.

    So ein Humbug. Das Gegenteil  ist der Fall. Noch nie hatte ich so viel Kontrolle über die Marke. Fragen Sie mal Hermin Charlotte Hainlein von Coca Cola. Sie sieht es genauso. Das Social Web ist ein fantastisches Werkzeug für die Markenführung. Im übrigen gerade für mittelständische Unternehmen. Was mich am meisten stört: schon immer haben Kunden das Bild der Marke geprägt. Nur jetzt ist es sichtbar und ich kann direkt reagieren. Ich kann in den Austausch mit starken Markenbotschaftern treten. Ich kann Ihr Bild von der Marke direkt beeinflussen. Ansonsten hat sich faktisch nichts geändert.

  2. Es geht um Dialog.

    Das ist nicht falsch, stimmt aber nicht immer. Ob und wie Dialog sinnvoll ist, hängt von der Größe und dem Engagement der Nutzer ab. Es gibt Kundengruppen, die sind so riesig, daß es reicht, wenn sich die Mitglieder als „dazugehörig“ fühlen. Ein „Like“ ist dann Dialog genug. Auch das ist sozial. Es gibt aber auch Gruppen, die sind so klein, daß digitale Medien die Komplexität der sozialen Beziehungen nicht abbilden können. Hier braucht es Face2Face, also echte Treffen. Auch das ist sozial.
    Es geht nicht um Dialog, es geht um Austausch. Genau das bedeutet der Begriff „Kommunikation“: Austausch. Für Profis: „Interaktiv“ bedeutet, „in Bezug aufeinander“. „Interaktive Kommunikation“ bedeutet also nichts anderes, als „Austausch auf Augenhöhe“. Deswegen ist Transparenz die Vorraussetzung für Austausch UND EBEN NICHT die Offenlegung von Unternehmensinterna.

    Frage Dich immer „Cui bono?“ – Wem nutzt es? Zeitungen gehören zu den großen Verlierern des Internet. Was dort steht ist leider nicht immer wahr, vollständig, angemessen, richtig oder überhaupt relevant. Aber auch die Blogger treiben gerne Säue durchs Dorf, die sie noch nicht mal aus der Nähe gesehen haben. Die einen verteufeln das Internet gerne, die anderen sonnen sich gerne im Licht von großen Marken oder bekannten Personen. Die Einen suchen Relevanz, die Anderen Anerkennung. Beide Gruppen prägen das Bild vom Internet auf – nennen wir es – unpraktische Weise. Da werden Gefahren beschworen, die eher virtueller, interessensgetriebener Natur sind.

  3. Zuerst muss man zuhören.

    Fragen Sie mal eine Frau, die ein Beziehungsproblem besprechen möchte, ob Zuhören die Lösung ist. „Du hörst mir nicht zu! Doch, ich höre Dir zu. Nein, machst du nicht!“ Das Problem ist nicht Zuhören, sondern Interpretieren, die Vorraussetzung für Verstehen. Jede Community ist eine Wertegemeinschaft mit eigenen Interpretationen für Symbole und Signale. Wenn ich nicht verstehe, was eigentlich gemeint ist, nutzt mir das ganze Zuhören nichts. Das schönste Beispiel ist die Wiedervereinigung. Ost und West hatten die gleiche Sprache — mit völlig unterschiedlichen Bedeutungen. Da hätte man jahrelang zuhören können, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Aber auch das – mitnichten strategische Problem – lässt sich schnell lösen: fragen, was gemeint ist. Daran ist auch nichts Gefährliches.

  4. Das Social Web ist für Unternehmen gefährlich.

    Reinster Bullshit.  Auch hier ist das Gegenteil der Fall. Firmen wie Dell oder Starbucks hatten sicher Ihre „Themen“ im Social Web, sind aber im Ergebnis stark daraus hervorgegangen. Mir ist noch kein Fall bekannt, wo in der realen Welt der Umsatz selbst kurzfristig oder das Image gelitten hätten. Alle Unternehmen, die echte Erfahrungen im Social Web haben, betonen die vielen überraschenden Vorteile. Was gerne als „Krise“ bezeichnet wird, findet oft nur in bestimmten Gruppen statt, während die Kunden davon nicht viel mitbekommen.
    Aber selbst wenn. Ich habe noch kein „Issue“ gesehen, daß nicht auf der Beziehungsebene schnell hätte gelöst werden können. Wer seine Nutzer „verarscht“, darf sich eben nicht wundern, wenn diese aufgebracht sind. Das ist weder eine Krise, noch besonders schwer zu verstehen.

  5. Social Media Marketing ist schwer.

    Es ist nicht schwer, es ist nur anders. Es geht um ’s kommunizieren und das ist, mit den Worten von Facebookgründer Mark Zuckerberg „ein so einfaches Prinzip, daß man es international nicht anpassen muss“. Handel respektvoll und Du handelst richtig. Es nutzt nur eben nichts, die Prinzipien der Massenmedien, wie trojanische Werbung oder juristisch einwandfreie PR, auf das Social Web anzuwenden. Klassische Kommunikation ist eben keine Kommunikation, kein Austausch. Auf der Beziehungsebene, der wichtigsten Kommunikationsebene, ähnelt das der bewussten Mißachtung der Kunden. Ich müsste eigentlich ein stärkeres Wort verwenden. (Ausser die angesprochenen Kundengruppen sind so riesig, daß sie einem Massenmedium ähneln. Dann passt es, z.B. Gewinnspiele mit Promis.) Und was für Kunden gilt, gilt im gleichen Maße für Mitarbeiter.

  6. Ich brauche ein umfassendes Regelwerk für meine Mitarbeiter.

    Glauben Sie wirklich, jemand könnte das auswendig lernen UND danach handeln? Wo hat das schonmal funktioniert? Die besten Regeln sind ganz einfach und funktionieren immer: „Schreibe nichts, was du deiner Mutter nicht auch ins Gesicht sagen würdest.“ Alles andere ist in den Unternehmen meistens schon woanders geregelt, z.B. im Arbeitsvertrag. Das Social Web ist keine eigene Welt, in der man „leben kann“. Es ist ein digitales Abbild der Realität. Ich denke, in eben dieser Realität gibt es ausreichend Regeln für den Umgang miteinander = für soziale Medien. Wenn überhaupt, dann sollten die Grundsätze dort geregelt werden.

  7. Das Social Web ist ein rechtsfreier Raum.

    Das Social Web bildet nur ab, was in der Realität geschieht.  Und die ist geregelt. Einfach zuerst da schauen, dann muss man nichts Neues erfinden. Die Antworten liegen im Sinne des Wortes auf der Straße. Auf der wirklichen Straße. Cybermobbing ist kein Thema des Social Web, sondern eines der Schulhöfe. Das Social Web skaliert nur. Es ändert aber nichts am Tatbestand. Manchmal sind genau diese realen Bedingungen ein nur allzu berechtigter Grund, nicht ins Social Web zu gehen.

  8. Alle müssen jetzt Social Media machen.

    Ich hatte eine Frau im Workshop, deren Unternehmen vielleicht 40 Kunden weltweit hat. Sie war über die Möglichkeiten im Social Web enttäuscht. Dabei hat die Aussage, daß es für sie nicht so wahnsinnig viel Sinn macht, doch viel Geld und Zeit gespart. Noch ein Beispiel: eines der Unternehmen, über das am meisten im Social Web kommuniziert wird, ist nicht mal aktiv: Apple. Da liegt der Fokus auf den Produkten, Social Web ist ein natürliches Ergebnis einfach guter Produkte. Wie Google Plus zeigt, kann Social Web aber auch nicht schaden. Das neue Tool wurde vor allem über Multiplikatoren im Social Web eingeführt. Diese sagen Google jetzt, was man verbessern muss, bevor es in den Massenmarkt geht. Allerdings passen hier Produkt und Medium auch sehr gut zusammen. Da lohnt auch der Aufwand.

  9. Social Media Marketing ist billig.

    Leider nein. Entweder zahlt man mit Zeit, oder mit entsprechenden Mediabudgets. Social Web macht Sinn, kostet aber eben auch. Ausser Sie machen es privat oder finden Menschen, die es vor lauter Begeisterung umsonst machen, wie im Fall Wikipedia. Nur weil es anders ist, ist es noch lange nicht „umsonst“.
    Es geht aber auch gar nicht ums Budget. Es geht um Wandel. Wie kann man bestehende Maßnahmen integrieren? Welche Maßnahmen kann man – die Welt ist schließlich im Wandel – auch mal ganz streichen oder minimieren?

  10. 10) Social Web zerstört Klassik von Sebastian Freitag

    Sebastian hat recht (danke für den Einwurf auf G+)! Seit 20 Jahren WWW wächst die Klassik und wächst und wächst. Dank Social Media hat Sie eine unterhaltsame Schwester bekommen und die Marketingfamilie ist um einen spannenden (und hoffentlich klugen) Sproß reicher.

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